Giant Sand, Köln, Luxor, 17.04.2023           „Eine Jamband aus Tucson“

Obwohl ich noch nie in Tucson, Arizona war, hat mir die Musik aus dieser Ecke der USA, wie etwa von Calexico oder Green On Red schon immer gefallen. Howe Gelb ist einer der Gründerväter dieser Art von Rockmusik, die in sehr spezieller Weise Rock und Country/Americana mit dem traditionellen Sound dieser Gegend in der Nähe zu Mexico verbindet. Er hat unter Giant Sand, in anderen Formationen und unter eigenem Namen seit 1985 fast schon unzählige Alben veröffentlicht. 2016 verkündete er das Ende der Band, um dann im Jahr 2018 mit der Urbesetzung das erste Album unter dem Namen „Returns to Valley of Rain“ neu einzuspielen und auch wieder auf Tour zu gehen.

 

Heute hat er mit XIXA eine weitere Band aus Tucson im Schlepptau. Von den eigentlich sechs Mitgliedern der Band erscheinen heute die beiden Gitarristen, Gabriel Sullivan und Brian Lopez als „Acoustic Duo“. Brian Lopez war im letzten Jahr auch mit Calexico auf deren umjubelter Europa-Tournee unterwegs gewesen. Sie spielen im wesentlichen Stücke ihres im Jahr 2022 erschienenen Albums „Road beyond the Valley“. Die eingängigen, traditionell angehauchten Gitarrenriffs versetzen das Publikum direkt in die Wüstenlandschaft Arizonas. Unterstützt wird die Musik durch einen sphärischen Klangteppich einschließlich Geräusche von Zikaden! Das Zusammenspiel der Gitarren und die unterschiedlichen Stimmfarben von Lopez und Sullivan kommen beim Publikum im sich immer mehr füllenden Luxor sehr gut an. Besonders gefallen mir das von Lopez gesungene Stück „Thine ist the Kingdom“ und Sullivans „Land where we lie“. Insgesamt ein sehr gelungener Auftritt. Es bleibt zu hoffen, dass die vollständige Band bald den Weg nach Europa finden wird.

 

Howe Gelb betritt mit Nick Augustine (b) und Tommy Larkins (dr) um kurz vor 21:00 Uhr die Bühne. Von Brian Lopez sind die drei vorher als „The jamming Trio“ angekündigt worden. Diese Aussage sollte den überwiegenden Teil des Konzerts zutreffend beschreiben. Howe Gelb muss niemandem mehr etwas beweisen. Das Gesamtwerk seiner veröffentlichten Musik spricht für sich selbst. Oftmals wirkt sogar die Musik auf seinen Alben rau und ungeschliffen. Auch die Präsentation seiner Songs ist heute speziell. Gelb spielt die Songs auf der Gitarre an und Augustine und Larkins entwickeln spontan einen treibenden Groove. Sind die drei einmal in dieser Spur, dann werden diese Jams für Gelbs Gitarreneskapaden und auch schon mal für ein Drumsolo von Larkins genutzt. Der Gesang steht nicht im Vordergrund. Es wirkt, als würde er die Lyrics schnell runtersingen, manchmal fast schon hinrotzen, um sich dann seinem Gitarrenspiel zu widmen. Ich fühle mich an Bob Dylan-Konzerte erinnert, bei denen der Meister seine schönen und aussagekräftigen Worte fast monoton und ohne sie auszusingen ins Publikum schleudert.

 

Howe hat heute mehr Spaß am Gitarrenspiel. Hierbei verzerrt er die Gitarre teilweise im Stile von Neil Young in besten Crazy Horse-Zeiten. Irgendwann spielen sie „Wayfaring Stranger“ an, einen alten traditionellen Folksong und machen den Song durch Gelbs Spiel zu einem wunderschönen Gitarren-Boogie. Als nach ca. 45 Howes Tochter Talula auf die Bühne kommt und sich auch später Lopez und Sullivan dazu gesellen, ist der Rock-Teil des Konzerts beendet. Talula hat eine angenehme und klare Stimme, was sie besonders bei der Zugabe unter Beweis stellt, als die Band „Summer’s End“ von John Prine covert. Ein wundervoll harmonisches Finale eines sehr speziellen, aber faszinierenden Konzerts! Ich habe das Gefühl, dass sich Howe Gelb mit Giant Sand nicht wie Dylan auf einer „Never ending Tour“ befindet. Ich hoffe aber, er hat noch lange Zeit die Lust, uns seine glorreiche Musik zu präsentieren.

 

Thomas Höhner