DAWES – Artheater, Köln 01.11.2019

,Time spent in Köln-Ehrenfeld..’

 

Auf die Dawes bin ich 2012 beim Streamen von Livemusik auf ,Internet Archive‘ gestoßen. Dort tummeln sich hauptsächlich Jambands oder Musiker, die das Mitschneiden von Konzerten zur nicht kommerziellen Nutzung zulassen. Es war das Eingangsriff von, When my time comes‘, das mich sofort packte. Gerade war ihr Album , Nothing is wrong’auf dem Markt. Wer dieses Album gehört hat und nicht begeistert war/ist, der muss nicht weiterlesen. Wer (wie ich) viel nordamerikanische Musik hört, hat das Problem, dass diese Bands nicht sehr häufig über den großen Teich kommen. So war es auch bei den Dawes. Erstmals habe ich sie zusammen mit Conor Oberst und dann als Vorgruppe von My Morning Jacket live gesehen. Jetzt, 2019, freue ich mich erstmals auf einen ganzen ,Evening with the Dawes‘, wie die Konzerte in  den USA angekündigt wurden.

Foto: Thomas Höhner
Foto: Thomas Höhner

Als ich dann höre, dass es einen Support geben soll, war ich zuerst etwas enttäuscht. Katie Malco, eine in London lebende Schottin, betritt die Bühne des seit Wochen ausverkauften Artheaters, einem gemütlichen Club im Stadtteil Ehrenfeld. Die Stimmung ihrer Musik soll nach Berichten im Netz eher depressiv sein. Katie ist ganz in schwarz gekleidet und nur mit einer älteren Telecaster bewaffnet. Es ist Allerheiligen, ein stiller katholischer Feiertag und wir befinden uns im Zentrum des Erzbistums Köln. Da können ein paar traurige Lieder zum Kölsch nicht schaden, denke ich. In der nächsten halben Stunde überzeugt Katie Malco das Publikum mit starken Songs und einer tollen Stimme. Sie hat auch Humor, als sie sich mit den Worten verabschiedet, dass sie das Publikum wahrscheinlich nicht wiedersehen werde. Ich bin mir da nicht sicher und denke, dass man nach der Veröffentlichung ihres Debutalbums im nächsten Jahr noch Einiges von ihr hören oder sehen werden wird.

 

 

Nach einer weiteren halben Stunde (der Gitarrentechniker hat in dieser Zeit auch eine Bassgitarre auf der Bühne notärztlich behandelt) geht es endlich los. Die Band mit Taylor Goldsmith (g,voc), seinem Bruder Griffin (dr,voc), Wylie Gelber (b) und Lee Pardini betritt die Bühne. Mit Ruhe oder innerer Einkehr ist jetzt jedenfalls Schluss. Sie starten mit , From a Window Seat‘ vom Album ,Stories don’t end‘ (2013). Die Wucht des Songs reißt alle sofort mit. Gitarrist, Sänger und Songwriter Taylor Goldsmith malträtiert seine Gitarre, als wolle er Allen beweisen, dass die Band keinen zusätzlichen Leadgitarristen braucht. Taylor hat mal in einem Interview bekannt, dass er besonders das Spielen von Solos erst während der ersten Jahre der Band überhaupt gelernt hat. Ich erinnere mich auch an die Show 2016, als Duane Betts als Co-Leadgitarrist dabei war und die Songs dann schon mal wegen der intensiven Gitarrenarbeit auf das Doppelte anschwollen. Auch Trevor Menear, der die Band bei einigen Shows in den Staaten verstärkt hatte, fehlte heute. Nach den zweiten Stück ,Right on Time‘ vom Album ,All your favorite Bands‘ (2015) war klar, dass Taylor offenbar fleißig geübt hatte und die gesamte Gitarrenarbeit heute alleine schafft. 

 

Das Stück ,When the Tequila runs out‘, das sich anschließt, stammt vom Album ,We’re all gonna die‘(2016). Mit diesem Album hatte ich wegen einiger irgendwie synthetisch klingender Popsongs anfangs Probleme. Live kommen die Stücke sehr druckvoll und mit schönem Groove rüber. Taylor und seine Mitstreiter schaffen es, den Songs, die meistens von kleineren und größeren alltäglichen Problemen handeln, eine besondere Bedeutung und Intensität zu verleihen. Die Stücke und ihre Botschaften wirken ernstgemeint und authentisch. Ich war noch niemals in L.A. und trotzdem verspüre ich Heimweh und Sehnsucht, wenn ich ,Times spent in Los Angeles‘ höre. Warum glaube ich, dass ich die Leute verstehe, über die Taylor in dem gefühlvollen Stück ,A little bit of everything‘ (beide von ,Nothing is wrong‘,2011) singt? Die Versionen beider Stücke überzeugen auch an diesem Abend, vor allem das letztgenannte mit Lee Pardinis ruhiger Einleitung am Piano. An der Reaktion des Publikums spüre ich, dass nicht nur ich die Songs so intensiv erlebe. Etwas politisch (wenn auch verbindlich) wurde es dann noch bei der schönen Akustik-Version von ,Crack the Case‘ vom letzten Album ,Passwords‘ (2018). Herauszuheben ist vielleicht noch die ausgedehnte Version von ,Peace in the Valley‘ vom Debutalbum ,North Hills‘(2009), das gerade 10-jähriges Jubiläum feierte. Das obligatorische und wunderschöne ,When my times come‘, bei dem das Publikum mit einer Lautstärke mitsingt, die sogar die Band überrascht, darf natürlich nicht fehlen. Als letztes Stück dann die Hymne ,All your favorite Bands‘. Die Dawes haben 17 Stücke gespielt. Bei mir ist kein Songwunsch offen geblieben. Der legendäre Taylor Goldsmith hat mir noch ein Album signiert und versprochen, dass sie bald wieder kommen werden. Um in der Sprache der Band zu bleiben und es nochmal zu betonen: Nothing is wrong!!

 

Thomas Höhner