Als ich mich nach dem Hallengong auf meinem Stuhl niedergelassen hatte, fragte ich mich, wie wohl ein Rockkonzert in einer großen, bestuhlten und klimatisierten Halle wirken würde. Ich war gespannt. Und es ging direkt los. Kenny Wayne Shepherd und seine Band betraten die Bühne, über der ein riesiges Plektrum mit den Initialen der Band thronte. Bei den ersten beiden Songs gab es einige Abstimmungsprobleme beim Sound. Der dritte Song, ,Heat of the sun‘ vom Album ,How I go‘ (2011) war dann ein Hammer: Kenny Wayne hatte seine 1961er Fender Stratocaster (,The One‘) umgeschnallt und führte das Stück, gesungen von Noah Hunt, von einem groovigen Beginn in ein wahres Gitarren-Klanggewitter. Kenny Wayne soll gesagt haben, dass diese Gitarre die Verlängerung seines Körpers ist. Hier hat man das wirklich gespürt. Danach kam ein schnelles Elmore James Cover (Can’t hold out‘). Generell war die Setlist mit einer guten Mischung aus älteren Stücken und Coversongs sowie Titeln des neuen Albums ,The Traveler‘ bestückt, wobei hier die Version von ,Turn to stone‘ herausstach. ,Blue on black‘, eines meiner Lieblingstücke, blieb heute etwas blass. Zum Ende nach genau einer Stunde gab es das Hendrix-Cover ,Voodoo Chile‘. Kenny Wayne Shepherd ist ein Zauberer an der Gitarre. Die Riffs und Licks sind atemberaubend, jedes Solo als Zentrum des Songs ist ein Ereignis. Trotzdem ist der Funke irgendwie nicht auf das Publikum übergesprungen. Das lag nicht an der Musik oder der Band. Diesen teilweise stampfenden Bluesrock sitzend aus einem Stuhl heraus zu verfolgen, ist schwer. Mein Körper wollte sich bewegen und mitgrooven. Und dann die Klimaanlage, die den Saal so runtergekühlt hatte, dass man glaubte, sie wollte den Klimawandel bekämpfen. Ich möchte mir diese tolle Band irgendwann noch einmal stehend in einer kleineren Halle ansehen.
Dann Pause. Ich hatte mir meine Jacke aus dem Auto geholt. An einen Gong zur Fortsetzung eines Rockkonzerts muss ich mich auch erst gewöhnen. Es ertönte Musik von der Bühne, wo auch die Musiker standen, und eine einzigartige Stimme, aber Beth Hart war nicht in Sicht. Sie hatte sich mitten ins Publikum begeben, ging quer durch die Halle und erreichte erst zum Ende des ersten Stücks (,Love Gangster‘) die Bühne. Sie weiß, wie man das Publikum einfängt und hat es bis zum Ende der Show nicht mehr losgelassen. Nach einem Uptempo-Stück (,Saved‘) folgt eine sehr schöne Version von ,Baddest Blues‘, für die sie sich erstmals ans Piano setzt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie den gesamten Bühnenbereich mehrfach durchquert, hat dort gelegen, gestanden, gesessen und Dehnübungen vollführt. Überhaupt wirkt sie körperlich topfit und mental sehr aufgeräumt. Sie berichtet, dass sie anders als früher heute nur wenig Lampenfieber hat und die Tour genießt. Ihr Ehemann Scott ist mit dabei und erscheint sogar kurz auf der Bühne. Ihre Band ist fantastisch, was Beth zu schätzen weiß. Sie umarmt alle mehrfach und verteilt kleine Zärtlichkeiten besonders an Drummer Bill Ransom, dessen Spiel ihr offenbar besonders gefällt. Etwas zu kurz bei Beths Zuwendungen kommt nach meiner Meinung neben Bassist Bob Marinelli ihr grandioser Gitarrist Jon Nichols. Wie er die verschiedenen Stimmungen ihrer Songs von Blues und Rock zu Jazz und Soul aufnimmt und mit seinem Gitarrenspiel untermalt, ist beeindruckend. Von der Setlist hatte ich mir am Mischpult ein Foto gemacht wohl wissend, dass sie hiervon auch schon mal spontan abweicht. Highlights waren etwa das Billie Holiday-Cover ,Don’t explain‘ und die halbakustisch gespielten Jazz-Stücke (Sunday kinda love‘, , If I tell you I love you’ und ,Lullaby of the leaves’) und eine schöne getragene Version von , Setting me free‘. Beth erzählt, dass die Setlist heute vorwiegend traurige Songs enthält, was die Show noch emotionaler macht. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch Ihr Leben ,etwa ihre erste verhängnisvolle Beziehung als 14-jähriges Mädchen mit einem 10 Jahre älteren Mann. Diese Geschichten machen die nachfolgenden Songs noch stärker, vor allem, wenn man weiß, dass die Musik für sie mehr als bloße Therapie war und ist. Getragen von ihrer grandiosen Stimme wirkt das authentisch und echt. Mir ist auch nicht mehr kalt.
Toller Abend!
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Rüdiger Schwenn
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