von Thomas Höhner

CALEXICO/IRON & WINE – Palladium, Köln 15.11.2019

Von Wüstensand und Cowboyhüten..

 

OK, die Überschrift meines Berichts hat Luft nach oben. Das Konzert hätte auch eine bessere Überschrift verdient gehabt, weil es ein spezielles und besonderes musikalisches Ereignis war. Angekündigt waren zwei Bands, wobei nicht ganz klar war, ob beide etwa nacheinander oder gemeinsam spielen würden, wie die Frage meines Nachbarn (Iron & Wine-Fan) zeigte. Was würde die Zuschauer im Palladium erwarten? 

 

Calexico wurde 1996 von Joey Burns und John Convertino in Tucson, Arizona gegründet, nachdem die beiden zuvor mit Howie Gelb bei Giant Sand gespielt hatten. Die Musik ist eine recht einzigartige Mischung auf Folk, Country-Rock, Latin-Jazz, Tex Mex und der traditionellen mexikanischen Mariachi-Musik. Wer nun Angst oder Vorbehalte gegen Mariachi-Musik hat, dem empfehle ich die DVD ,World drifts in‘ (Live at the Barbican, 2004), die eine beeindruckende Show der Band in London mit der kompletten Mariachi-Band ,Luz de Luna‘ zeigt. Mich infizierte seinerzeit das Album ,Garden Ruin‘ (2006), das schöne und eingängige Rock-und Folksongs enthält, ohne aber die Wurzeln der Band zu verleugnen. Calexico ist eine ,Multi-Kulti-Truppe‘ mit Musikern aus vielen Nationen, auch mit deutscher Beteiligung. Seit vielen Jahren etwa ist der Multi-Instrumentalist Martin Wenk ständiges Mitglied. Das Zusammenspiel mit anderen Musikern, teilweise aus ganz anderen Musikrichtungen ist ein besonderes Merkmal von Calexico. Die Band tourt sehr oft auch außerhalb der USA und verfügt über eine feste und eingeschworene Fangemeinde besonders in Europa. Die Konzerte sind stets mehr als Musik, sondern meist ein echter Austausch mit den Fans.

 

Mit Sam Beam, der unter dem Namen Iron & Wine musikalisch unterwegs ist, verbindet Calexico nicht nur die gleiche Plattenfirma, sondern eine seit vielen Jahren währende musikalische Freundschaft. Im Jahr 2004 nahm man die EP ,In the Reins‘ zusammen auf und ging auf Tour. Erst in diesem Jahr erschien nun das neue gemeinsame Album ,Years to Burn‘. Man merkt, dass ich eher aus der Calexico-Ecke komme. Als ich das Album erstmals hörte, hatte ich den Eindruck, dass ich es eher mit einem Iron & Wine-Album zu tun hatte. Wenn man nicht in derartigen Kategorien denkt, öffnet sich das Album bei weiteren Durchläufen aber zunehmend. Aber entscheidend ist ja auf der Bühne.

Eröffnet wird die Show von mit einer gelungenen Vorstellung der Sängerin Adia Victoria mit zwei Begleitmusikern, bevor Joey Burns, John Convertino und  Jacob Valenzuela von Calexico mit Sam Beam, Rob Burger und Sebastian Steinberg die Bühne betreten. Eröffnet wird die Show mit zwei Stücken vom neuen Album, und zwar ,Father Mountain‘ und ,Midnight Sun‘. Eines wird sofort klar: Es stehen nicht verschiedene Bands auf der Bühne, sondern eine musikalische Einheit, die verbunden ist durch eine fantastische Rhythmusmaschine, bestehend aus John Convertino am Schlagzeug und Sebastian Steinberg am Bass. Der Groove der ersten beiden Stücke packt das Publikum sofort. Als drittes Stück kommt dann schon ,He lays in the Reins‘, ebenfalls mit einem lockeren Flow, wobei der spanische Gesangsteil von Jacob Valenzuela übernommen wird. Wow! 

 

Nach dem fulminanten Start wird es musikalisch ruhiger. Es kommen eher akustisch geprägte Stücke, zunächst ‚Follow the Water‘ (von ,Years to Burn‘) und ,Burn that broken Heart‘ (von ,In the Reins‘), wobei auffällig ist, wie gut die Stimmen von Burns und Beam harmonieren. Die beiden spielen hierbei mit den Songs des jeweils anderen. Sehr gelungen ist Sam Beams Version von, Sunken Waltz‘ vom Calexico-Album ,Feast of Wire‘ (2003). Auch die Chemie unter den Musikern stimmt. Weiterer Höhepunkt ist das von Jacob Valenzuela gesungene , Flores y Tamales‘, das als wunderbare Cumbia interpretiert wird. Auch die akustische Version des Calexico-Klassikers ,Chrystal Frontier‘ gefällt mir sehr. Die raue Interpretation des Songs transportiert den leider sehr aktuellen Text, der sich mit traurigen Schicksalen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze befasst, besonders eindrücklich. Untermalt werden die Stücke durch Einsätze von Rob Burger am Akkordion und das relaxte Jazzfeeling im Trompetenspiel von Jacob Valenzuela. Zum Ende hin folgt eine schöne Version von ,Frank’s Tavern‘ vom Album ,Man of Somebody’s Dream‘ (Chris Gaffney Tribute, 2009), bevor die Show sich nach ,History of Lovers‘ (von ,In the Reins‘) dem Ende zuneigt. Nach einer Zugabe und gut 90 Minuten ist Schluss. Eine sehr emotionale Musikdarbietung ist zu Ende. Die Songs haben mich stimmungsmäßig irgendwo in die sonnendurchflutete Landschaft südlich von Tucson versetzt, ich war jedenfalls nicht mehr im kalten Kölner Osten. Und das lag nicht nur an Joey Burns Hut. Es war eine gelungene Darbietung von sechs inspirierten Musikern mit einfach schönen Songs. Hoffentlich dauert es nicht weitere 15 Jahre bis zum nächsten Album und zur nächsten Tour…