von Andrej Schenk
Mouse On Mars gehören zu der Gründerszene der internationalen Elektromusik. Zumindest sagt es das Internet. Bei mir persönlich ruft der Bandname lediglich ein ganz flüchtiges Echo im Gedächtnis hervor. Eine Erinnerung an eine Zeit als die Love-Parade noch ein Berliner Novum war und auf MTV Musik lief. Ansonsten ist die Musik der Elektro-Avantgardisten aus Köln und Düsseldorf damals völlig an mir vorbeigegangen. Was ich aber mitbekam, war die Suche der Techno-Szene nach einem zugleich gemeinsamen und individualistischen Trancezustand, nach den Dancevibes in denen man verloren gehen konnte. Als Headliner und Eröffnungs-Act des „Lieblingsplatte“-Festivals im Düsseldorfer ZAKK stellte das Deck-Duo Andi Toma und Jan Werner, zusammen mit dem Drummer und Multiintrumentalisten Dodo NKishi, den Abend ins Zeichen ebendieser Suche nach dem Soundrausch der 90er. Deren Platte „Iaora Tahiti“ von ´95 schaffte dafür das passende Framework der Zeit.
Mouse is in the house
Vor der Stage stehen ca. 150-200 Leute. Gar nicht so wenig für das ZAKK aber bei einer Band, welche von Kritikern in ihrer Bedeutung für die neueste Musikgeschichte mit Kraftwerk verglichen wird, doch relativ überschaubar. Der Altersdurchschnitt liegt bei 35-45 und steigt weiter aufwärts. Immerhin ist man nicht der älteste im Club.
Andi, Jan und Dodo kommen auf die Bühne und ohne Begrüßung, ohne jedwede Reaktion auf das Publikum wird sofort losgelegt. Aber es ist keine Tanzparty, die sich hier anbahnt und auch kein Standart-Konzert. Das wird schon im Intro deutlich, als begleitet von raschen Zerrklängen und Industrial-Athmosphärik „Die innere Orange“ bierernst und mit mechanischer Uhrwerksstimme vorgetragen wird. Das ist keine einfache Abgeh-Musik, die Band arbeitet auf Erlebnissound aus. Der nächste Track, „Stereomission“, dessen Basebeats von Live-Drums und Live-Bass begleitet, teils nach Raggaton klingen und teils an „Born sleepy“ von Underworld erinnern, zementiert den Eindruck. Und beim Track Nr.3 wird richtig aufgedreht.. Die Musik ist dynamisch, funky und wird fast nie eintönig. Dafür sind MoM lange genug im Geschäft: der Beatwechsel kommt immer genau dann wenn der Track sich einzulaufen scheint. Und es geht immer weiter nach oben, immer schneller voran. Man hört den deutschen Industrial-Einfluss der 80-90er raus, aber dieser wird nicht reproduziert sondern verzerrt, zerhackt und neu zusammen gesetzt. Die Klänge sind abgefahren und unglaublich atmosphärisch. Dodo Nkishi ist ein Energiebündel, das Zusammenspiel zwischen Plattendecks und Live-Drums funktioniert prima und kein Track gleicht dem Anderen. Das ist wahrscheinlich selbst nach über 20 Jahren das größte Potential der Band: ein ganz besonderer Sound, den man wegen seiner ständigen Neudefinition, eigentlich nicht fassen oder festmachen kann. Es ist nichts bahnbrechendes, aber durchaus abendfüllend. Oder wie ein Besucher es ausdrückte: „Gute Mukke, aber tut nicht weh.“
Well-aged vinyl, well-aged people.
Anders gesagt, es ist Musik für ein Festival wie SPLASH im Sommer und nicht für den ZAKK im Winter. Vielleicht ist es die Kälte draußen – oder auch die übliche deutsche mangelnde Tanzbereitschaft – aber die Menge scheint anfangs die Steifheit der Glieder nicht wirklich abschütteln zu können. Da tendiert man eher zum Stehen und interessierten Nicken. Vereinzelt sieht man einen persönlichen Ausdrucks-Powerdance der variierenden Intensität und der Marke „Close your Eyes And Dance“. Aber im Verlauf des Abends ändert sich das Verhältnis. Immer mehr Menschen werden von der Tanz-Trance erfasst und der letzte Track ist ein anarchischer Synthiepop-Reißer, der die letzten Kopfnicker in Springer und Tänzer verwandelt. Und dann ist es auch abrupt vorbei. Nach ziemlich genau 60 Minuten und Minimalinteraktion mit dem Publikum lösen Mouse on Mars den Trance-Traum mit dem Nachhall der letzten Soundechos auf. Im Eingangsflur hopsen zwei Freundinnen in ihren 40ern wild lachend gegeneinander an, als wären sie wieder 20. Vielleicht haben sie auf der Suche nach dem Tanztraum Erfolg gehabt.
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Rüdiger Schwenn
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