The Brian Jonestown Massacre, Köln, Kantine, 29/01/2024 “Anton Newcombes Rock-Kommune in Köln”

Anton Newcombe ist so etwas wie eine Rock-Legende. Seit 1990 gibt es das BJM. Seine musikalische Kreativität ist fast unbegrenzt. Er hat seit 1993 über 20 Alben veröffentlicht. So genial er musikalisch ist, so schwierig und unberechenbar scheint sein Umgang mit Menschen, Musikern und Plattenfirmen und der Welt an sich zu sein. Die Versuche der Musikindustrie, ihn zu bändigen, sind jedenfalls zunächst gescheitert. Wenn man sich die sehenswerte Dokumentation „Dig“ so anschaut, wundert es mich, dass es Anton Newcombe und sein BJM heute noch gibt. Die Musik scheint der Rettungsanker im Leben von Newcombe zu sein. Die Live-Shows sollen in vielfacher Hinsicht legendär sein. Es kann alles passieren, von internem Streit in der Band oder sogar Stress mit dem Publikum. Ich bin daher ziemlich gespannt, was heute passieren wird.

Um Punkt 20 Uhr betreten „Les Big Byrd“ aus Stockholm die Bühne der gut gefüllten Kantine. Es wird harten nordischen Psychedelic Rock geben. Das Effekt-Board von Keyboarder Nino Keller und die Gitarre von Sänger Jocke Ahlund stimmen uns auf die nächste halbe Stunde ein. Bass und Drums treiben die Stücke voran und die Zeit vergeht wie im Flug. Ein gelungener Start in den Abend!

Dann wird erstmal ziemlich lange umgebaut. Die Roadies und Gitarren-Techniker lassen sich Zeit. Alle Gitarren - und es gibt viele - werden mindestens einmal gestimmt. Mitten auf die Bühne wird ein Bierkasten mit deutschem Bier abgestellt und schon mal alle Flaschen geöffnet. Um kurz nach 21 Uhr betritt dann Newcombes aktuelle Rock-Kommune die Bühne. Und es wird voll. Nicht mehr als sieben Leute umfasst das aktuelle BJM, neben Newcombe zwei Rhythmus-Gitarren, ein Keyboarder, Drums, Bass und ein Tamburin-Spieler (mit Kultstatus, John Gion). Der Meister selbst erscheint heute mit großem Hut und Federschmuck und dunkler Sonnenbrille. Er steht quer zum Publikum, vor ihm ein Stehpult, auf dem eine Kladde mit wahrscheinlich den Songtexten liegt, die er oder sein Gitarrentechniker nach jedem Song umblättern wird. Es geht los heute mit „Maybe make it right“ von der EP „2023“. Der Sound ist noch ausbaufähig. Der Bass ist für meinen Geschmack zu laut, Newcombes Stimme fast nicht zu hören. Auch Newcombe und die Band sind nicht zufrieden.

Nach dem Stück reden fast alle auf den Soundtechniker ein. Die Roadies kommen auf die Bühne. Für den nächsten Song werden fast alle Gitarren gewechselt. Die müssen wieder gestimmt werden. Es herrscht eine seltsame, etwas angespannte Stimmung auf der Bühne. Alle sind bemüht, schnell bereit zu sein, bevor Newcombe loslegen will und kurz in die Runde fragt: „Ready?!“ Dann spielt er das einleitende Riff des nächsten Songs an und es geht los. Er lässt keinen Zweifel daran, wer hier der Boss ist. Wenn ihm z.B. das Tempo nicht gefällt, dann unterbricht er und lässt neu anfangen. Wenn er absolut unzufrieden ist, dann kann das auch schon mal eskalieren und zum Abbruch führen, aber heute bleibt es ruhig. Ich kann aber meinen Blick nicht von der Bühne lösen, weil ständig irgendwo etwas passieren kann.

 

Eine Kommunikation mit dem Publikum findet nur über die Musik statt. Er lässt eben seine Musik sprechen. Und die hat es in sich. Nach einigen Stücken ist der Sound ok. Die beiden Rhythums-Gitarren (Ricky Maymi und Hakon Aoalsteinsson) schaffen mit Drummer Uri Rennert und dem Rest der Band einen vollen Sound. Auch Newcombe meckert nicht und dann muss es gut sein! Besonders gefallen mir das kraftvolle „#1 Lucky Kitty“ (vom Album „Fire doesn‘t grow on Trees“, 2022), das dunkle und getragene „Anemone“ (von „Their Satanic Majesties‘ Second Request“, 2008) und das wunderschön traurige „Vad Hände Med Dem“ (von „Revelation“, 2024), für das Jocke Ahlund nochmal die Bühne betritt. Nach ca. 90 Minuten ist Schluss. Das Publikum möchte eine Zugabe, aber Newcombe hat heute keine Lust.

 

Mich hat das heute echt beeindruckt, die knisternde Spannung auf der Bühne und die grandiose Musik. Die Musik war und ist offenbar stärker als alle Dämonen, die in Newcombes Körper wohnen!

Thomas Höhner