Wer hat's erfunden? Die Schweizer Doppel-Combo We Invented Paris & Torp im Düsseldorfer "Stone"

Von Andrej Schenk 

Der "Stone" (bzw. der ehemals geschichtsträchtige "Ratinger Hof") ist an diesem Abend publikumstechnisch zunächst einmal recht übersichtlich. Was sich jedoch bereits ändert, sobald die Oneman-Vorgruppe Torp die Bühne betritt. Und das liefert bereits die erste positive Überraschung des Abends: der junge Musiker ist ein souliger Solo-Guitarrero, dessen getragener Sound manchmal an Calexico erinnert. Selten hört man einen solch stimmlich hauchfeinen Gesang, der zugleich fest, sicher und absolut raumfüllend bleibt. Und so wird der Raum durch eine Stimme gefüllt, die an den jungen Sting und einen englischsprachigen Sven Regener erinnert und die popkulturlastigen Stories über Superhelden ("Thor"), Ostern & Aliens ("Eastern & Aliens", duh!) und - natürlich - von Liebe erzählt. (Das klingt nach Klischee aber es geht ja u.a. um eine interspeziestische Liebe zwischen einem ausserirdischen Übermenschen und seiner irdischen Geliebten ("Louis & Clark") - insofern ist man aus der Klischee-Ecke ein bisschen raus.) Torps abwechslungsreicher Sound wechselt sich zwischen filigranem Grifffingerspiel und sehr bluesigen Klängen ("Something to hold on to"). Die Songs sind nicht zu lang und nicht zu kurz, was für lokal unbekannte Künstler ein Riesenplus ist. Aber bei Torp kann man sicher sein, dass er nicht lange unbekannt bleiben wird.

 

Mittlerweile ist das "Stone" voll und man merkt dass We invented Paris doch deutlich bekannter ist als (vom ignoranten Autor) gedacht. Da die Liste der Tourstädte in Deutschland recht überschaubar ist, reisen Fans selbst aus der Hauptstadt, der Schweiz und dem Benelux-Ausland an. Das "Stone"ist also vielleicht nicht rappel- aber voll.

 

Zwar hört sich WIP anfangs (für den weiterhin ignoranten Autor, wohlgemerkt) wie Indie-Rock à la Standartmenü an, aber man merkt schnell dass es ein stabiler, grundsolider Indie-Sound ist, der hochprofessionell rübergebracht wird. Die Besetzung entspricht wiederum weithin dem Genre-Standart: 4 "skinny white dudes" (Bass, Keys, Lead- & Akkustikgitarre) & ein nicht-ganz-so-skinny black drummer aus Heidelberg, der einen durchgehend smoothen Beat mit gelegentlich furiosen Crescendo-Einlagen vorgibt. Aber trotz des augenscheinlichen Genre-Standard stimmt der Ton immer und das (vorwiegend weibliche) Publikum bounct glücklich im Rhythmus der skinny dudes. Auf feine Gitarrenriffs folgen powervolle Solos und der Synthieorgelsound der Keys rundet das Musikkonzept von WIP ab und verleiht ihm Volumen. Manchmal klingt WIP so, als hätte Reamon von Daft Punk den Synthesizer geklaut. Aber gleich danach hauen sie ein drumlastiges Teil wie "Happy Birthday" raus, das fast nach Kraftwerk oder New Model Army klingt. Die starke, aber auch sanft ausgeglichene Stimme des Frontmanns Flavian Graber, die grade bei "Fires", einem Stück das nur mit Keybordbegleitung und gänzlich ohne andere Instrumente auskommt, besonders hervorgehoben wird, ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum das Publikum vorwiegend weiblich ist. Der finale Track "More" ist eine absolute Powertanznummer mit Synthie-Pegel im Anschlag und dreimaliger Zugabe. WIP zeigen damit dass sie eben keine 08/15 Indieband sind. Dafür ist die Truppe zu abwechslungsreich. Zu funky. Zu kraftvoll. Zu gut. 

 

PS: Ein musikalisch ignoranter Autor, der noch nie zuvor etwas von We Invented Paris gehört hat und sein gesamtes Wissen über sie auf dem Weg zum Konzert aus dem Internet bezog, mag über solche Worte wie "Künstlerkollektiv", "audiovisuelle Konzepte" und "Kooperationen verschiedener Kunstrichtungen" stolpern und und während des ganzen Auftritts sich wundern, wann denn endlich die hochbeschworene Intermedialität kommt und die diversen Kunstrichtungen endlich in einer glücklichen Umarmung vereint werden. Und als es dann nicht dazu kommt, mag der ignorante Autor ein bisschen enttäuscht sein und sich in seiner Kolumne (deren Titel bereits Zeugnis seiner Ignoranz sein sollte) darüber auslassen. Aber so ist es halt mit Erwartungen, die (frei nach Buddha) die Wurzel allen Übels sind: man kann beim Warten auf das ominöse "mehr" leicht übersehen dass das Vorhandene bereits mehr als genug ist. Und da die Musik von WIP gut genug ist um auf eigenen Beinen zu stehen, braucht Grabers Kollektiv sich auch  nicht hinter Gimmicks und Crossover-Konzepten zu verstecken, solange sie weiterhin genauso gute Musik machen.